F⋅I⋅LZ
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KI/NO, Deutsch
Der sonst zum Rundgang der Hochschule regelmäßig zur Vorführung von Filmen bzw. Videos genutzte Raum 2.41 sollte im Jahr 2012 diesen Zweck nur zum Teil erfüllen: er blieb geschlossen.
Zum Rundgang an der Hochschule für Grafik und Buchkunst wurden deshalb alle interessierten Studenten aufgerufen, Video/Film—Arbeiten einzusenden, welche auf DVD veröffentlicht und während des Rundganges zum Kauf angeboten wurden.
Als Ergebnis des Projektes entstand eine Publikation in Form eines 69-seitigen booklets mit dazugehöriger vierstündiger DVD der 20 Video-/Filmeinsendungen mit einer Auflage von 100 Exemplaren.
Das Projekt wurde organisiert und durchgeführt von Studenten der Klasse Intermedia (Gottfried Binder, Leonore Kasper, Felix Leffrank und Nicolas Rossi).
Die durch Spenden eingebrachten Einnahmen und durch die zahlreichen persönlichen Gespräche gewonnen Erfahrungen, boten die Basis für die Gründung des Folgeprojektes FILZ (Filmische Initiative Leipzig; http://filz.caohom.com), welche sich zum Ziel gesetzt hat an der Leipziger Hochschule ein beständiges und offenes Forum für Video und Film mit theoretischer als auch praktischer Ausrichtung zu etablieren.
KI/NO, english
Room 2.41, which is regularly used for screening videos and films during the rundgang at the Academy of Visual Arts Leipzig, was intended to serve this purpose in 2012 only in a limited fashion: it remained closed.
This time all interested students were instead invited to participate with their works on one single compilation; the result was a publication of twenty art-works, consisting of a 69-paged booklet and a four-hour-DVD in an edition of 100 handmade copies, which was offered to the public in exchange for a donation. KI/NO is on the one hand a portable and affordable showcase of media-art made at the academy as well as a bold encounter in discussing the "true" value of such immaterial works. It is planned to continue this approach and to establish a regular showcase for media-art using this form of presentation.
The surprising experiences made during the preparations (resulting from opponents as well as supporters of the project) and the numerous encouraging discussions with the public formed the basis for the follow-up project FILZ (Film Initiative Leipzig, http://filz.caohom.com) which aims at establishing a permament and open forum for video- and film - this is shaped by a focus on theoretical as well as practical aspects of filmmaking/video-related art.
The project KI/NO was organized and realized by students of the Intermedia-class (Gottfried Binder, Leonore Kasper, Felix Leffrank and Nicolas Rossi).
KI/NO, Konzepttext zum HGB—Rundgang 2012
Wann ist ein Kino geschlossen?
Wenn etwas kaputt ist. Wenn etwas nicht gezeigt werden kann, bzw. wenn nichts gezeigt werden kann. Wenn keine Zuschauer da sind. Wenn gerade eine Vorstellung läuft.
Früher galoppierten Pferde auf Leinwändern, heute kämpfen Roboter auf Displays.
Die Grenzen zwischen dem im Kino Gezeigten einerseits und der transportabler Medien andererseits, sind nicht mehr in der Art und Weise aufrechtzuerhalten, wie die Hersteller eines Films und die Betreiber der Institutionen Kino sich dies wünschten.
Die Ware Film ist wie die Ware Video schon lange nicht mehr an bestimmte institutionalisierte Orte gebunden, die ihre vermeintliche Exklusivität mittels klarer Grenzziehungen behaupten können — der Film zeigt sich nahezu immateriell, manipulierbar, übertragbar und als Ergebnis dieses Prozesses vor Allem wieder als kultureller Wert erschließbar.
Die zusätzlich zu einer, dem Medium Film schon per se inhärent eingewebten Illusion (z.B. der Kontinuität von Raum, Zeit und Tönen mittels Schnitt und Montage), dazu parallel etablierten Illusion der filmschaffenden Institutionen (z.B. der Überakzentuierung von Stars und Regisseuren) ist mittlerweile weggebrochen bzw. hat in seiner Mächtigkeit deutlich eingebüßt. Diese Entwicklungen entkernten das Medium Film und warfen es auf seine primären Eigenschaften zurück. Herausgeholt aus seinem Versteck ist der Film nun klarer und von allen Perspektiven aus analysierbar geworden. Die um den Film herum künstlich errichteten Zugangsbeschränkungen werden zunehmend redundant.
Sich mit der Projektion von heterogenen, womöglich nicht für die gemeinsame Vorführung in abgedunkelten Räumen vorgesehenen clips an der Institution Kino messen zu wollen, wirft die Frage nach der Relevanz einer solchen Nachahmung auf. Auch wenn etwas "Kino" heißt, da es die wesentlichen Merkmale des Kinos imitiert, bedeutet dies nicht, daß es die selbe Erfahrung hervorrufen kann. Auch kann ein solcher formaler Annäherungsversuch inhaltlich nie zu einer befriedigenden Deckung führen, da set und setting in keinem ausgewogenen Verhältnis zueinander stehen: künstlerische Videos/clips, verpflanzt in das set eines natürlich gewachsenen Kinoraumes mit langjährigem Programm, brechen in einem solchen Ambiente an ihrem innerlichen setting, welches in den meisten Fällen eine spezifische Art der Präsentation als wesentlicher Bestandteil der Arbeit selbst behaupten. Historisch gewachsene Kinos wurden über Jahre hinweg mit strategischem Programm bespielt und so als gesellschaftliche Räume modelliert, die neuartigen Multiplex-Kinos sind nur noch bloße Hülle zur seriellen Abspulung von zumeist austauschbarer Produktion. Sich ohne die notwendigen Hilfsmittel mit oder an dem Kino messen zu wollen, kann vermutlich nicht funktionieren — das Anliegen sollte ein anderes als das der versuchten Imitation sein.
Doch vielleicht ist der Rückgriff auf jenes, welches vor dem Kino stand, hilfreicher: die Kinematographen, Nickelodeons, Wanderkinos, Vaudevilles und die frühen optischen Experimente, die allesamt noch nicht den geläufigen Charakter des Kinos inne hatten, sondern filmische Ergebnisse in einer und für eine soziale Randgruppe zeigte. Das Kino bleibt darin am wirkungsvollten, wo es seinen ureigensten Mechanismen am klarsten hervorbringt: in der Bewegungsanalyse einerseits und andererseits in den immer neu auszurichtenden Präsentationsformen von Videos beziehungsweise Filmen. Film braucht keinen Träger und keinen designierten Ort, er existiert auch ohne Aufzeichnungs-/Abspielgerät (so wie die Grammatik einer Sprache auch im Murmeln oder Stottern — gar im Denken selbst — intakt bleibt); das Kino als Raum ist ohne zu Projizierendes ein Behältnis, wie jedes andere auch. Es wird durch etwas zum Kino — ist der Film das Kino?
Auch wenn ein Raum verschlossen ist, heißt das nicht, das dort nichts ist. Auch wenn ein Raum dunkel ist, heißt das nicht, daß es dort nichts zu sehen gäbe. Schlupflöcher zu und Ersatz für etwas gibt es immer; manchmal werden sie bewußt geschaffen um die bedrohliche Starrheit des Gesamtsystems zu verhindern, ein anderes Mal sind sie die zwangsläufigen Resultate des sonst geschlossenen Systems Produktion-Präsentation-Konsum-Wiederholung.
Eine Abfolge von Bildern, schnell genug, erzeugt die notwendige Illusion.
Wann bleibt ein Kino geschlossen? KI/NO sollte keine Verweigerung des Kinos/Filmes an sich sein, sondern des Umganges damit.
Texte von Gottfried Binder.
Restexemplare von KI/NO können hier angefordert werden.
Limitierte Auflage von 100+15 Exemplaren.
Geheftetes booklet, 14,5 x 21 cm, 69 Seiten, S/W-Laserdruck auf gedecktem 80 g/m² Papier, kartonierter Umschlag, transparente Folie. DVD mit ca. 240 Min. Lauflänge. 2012.